Fürsprecher der Patienten

Prof. Dr. Jan Schmolders, Chefarzt der Orthopädie am Marienhaus Klinikum Bad Neuenahr-Ahrweiler im Interview!


 Was sind die ersten Anzeichen auf einen Knochentumor? Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es? Diese Fragen und viele mehr beantwortete Prof. Dr. Schmolders im Interview mit Katharina Edl. Auch erzählte er von seiner aktuellen Forschung und dem Weg in die Tumororthopädie.

Im Folgenden das vollständige Interview zum Nachlesen.

Edl: Herr Prof. Schmolders, Sie kommen u.a. aus der Sektion „Endoprothetik“. Wie kam dann der Wechsel in die Tumororthopädie und was fasziniert Sie daran?

Schmolders: Ich habe damals 2009 in der Orthopädie im Krankenhaus der Augustinerinnen in Köln meine Facharztausbildung begonnen. Damals habe ich die Kinderstation betreut und es wurden dort viele Kinder mit komplizierten Brüchen in Folge der „Glasknochenkrankheit“ behandelt. Das hat mich schon damals fasziniert. Anschließend war ich zwei Jahre in der Chirurgie und habe davon ein Jahr in der Gefäßchirurgie absolviert bevor ich dann an die Uniklinik Bonn gewechselt bin und dort in den Sektionen Gelenkchirurgie, Unfallchirurgie und Wirbelsäulenchirurgie die Facharztausbildung komplettiert habe. Durch diese „breite“ Grundausbildung bin ich dann danach in den Schwerpunkt Tumororthopädie an der Universitätsklinik Bonn gewechselt. Mich fasziniert daran, dass die Operationen nie „von der Stange“ sind und dadurch, dass wir sowohl Weichteil- als auch Knochentumoren behandeln, welche prinzipiell an allen Lokalisationen des Bewegungsapparates auftreten können, eine sehr große Bandbreite an Operationstechniken und Systemen vorgehalten werden muss. Des Weiteren muss man als Teamplayer mit den anderen Fachdisziplinen agieren. Nur diese Einheit sichert letztlich den Behandlungserfolg. Man kann oft Menschen in einer großen persönlichen Krise zur Seite stehen und ich habe mit vielen Patienten, die ich vor Jahren operiert habe, heute noch Kontakt. Das macht für mich den Reiz die Tumororthopädie aus.

Edl: Eine simple, doch sehr wichtige Frage: Was sind die ersten körperlichen Anzeichen auf einen malignen Weichteil- oder Knochentumor? Ab wann sollte man hellhörig werden und den Gang zum Arzt wagen?

Schmolders: Oft treten diese erst relativ spät im Verlauf der Krankheit auf. Die malignen Weichteilund Knochentumoren können, je nach Lokalisation, und Affektion benachbarter Strukturen unterschiedliche Symptome verursachen. Bei jeder neu aufgetretenen „Schwellung“ ohne ein vorangegangenes Trauma oder sich nicht bessernden Schmerzen in Gelenken, vor allem Ruhe und Nachtschmerzen, sollte man sich, auch zum Ausschluss dieser doch seltenen Tumoren, fachärztlich vorstellen.

Edl: Muss ein benigner Tumor (gutartig) ebenfalls operiert werden, oder gibt es andere Therapiekonzepte dafür?

Schmolders: Normalerweise gelten die gutartigen Knochentumoren als sogenannte „leave me alone lesions“, d.h., dass diese nicht operiert werden. Wenn gutartige Knochentumoren, wie eine kartilaginäre Exostose „mechanisch“ durch Ihre Lokalisation den Patienten stören und Schmerzen verursachen, kann man über eine Entfernung nachdenken.

Edl: Nun gibt es Patienten, deren Becken vom Tumor betroffen ist, die auf eine Mega-Prothese, wie es sie von der Firma „Implantcast©“ gibt hoffen, um ihr natürliches Gangbild und die Funktionalität auch nach der Tumoroperation zu erhalten. Wie realistisch ist diese Vorstellung und welche Risiken birgt solch eine große Endoprothese?

Schmolders: Das muss man immer ganz individuell betrachten und die Patienten diesbezüglich beraten. Wichtig ist wieviel Knochensubstanz nach der Operation noch vorhanden sein wird. Dies ist essentiell für die biomechanisch sinnvolle Verankerung eines solchen Implantats und die Langzeitstabilität. Im Prinzip muss man bei jeder Prothese damit rechnen, dass diese sich irgendwann lockern wird. Auch die Infektionsgefahr ist bei diesen großen Implantaten nicht zu unterschätzen.

Edl: Sie forschten bereits an verschiedenen Beschichtungen der Implantate, um postoperativen Infektionen vorzubeugen und die Verträglichkeit damit zu steigern. Was sind Ihre Erkenntnisse daraus? Welche Beschichtungen sind erfolgsversprechend?

Schmolders: Man hat mittlerweile herausgefunden, dass die Silberbeschichtung der „Megaprothesen“ einen positiven Effekt hinsichtlich der Infektprophylaxe hat. Das heißt aber leider nicht, dass sich derart beschichtete Prothesen nie infizieren. Das Infektrisiko bleibt ein Leben lang bestehen. Die Entwicklung von weiteren permanenten Oberflächenbeschichtungen, oder Strukturierungen dieser sind Gegenstand aktueller Forschungen.

Edl: Sie sind nicht nur Humanmediziner, sondern haben zusätzlich auch den Abschluss „Master of Health Business Administration“. Was muss man sich darunter vorstellen?

Schmolders: Das Gesundheitssystem befindet sich ja seit Einführung der Fallpauschalen in einem zunehmenden Wandel. Dies baut zunehmend ein Spannungsfeld zwischen den Polen der „ökomischen Versorgung und Effizienz“ auf der einen und dem der idealen fachlichen Versorgung und optimalen menschlichen Zuwendung auf der anderen Seite auf. Diesem kann man sich als Arzt nicht verwehren. Statt sich darüber aufzuregen müssen wir Ärzte, meiner Meinung nach, als Anwälte der Patienten hier in Zukunft wieder mehr zu sagen haben. Das gelingt am besten wenn man eine gewisse Kompetenz diesbezüglich mitbringt. Daher habe ich nach der Facharztausbildung in berufsbegleitendes Studium an der Universität Erlangen/Nürnberg absolviert.

Edl: Was genau versteht man unter der „biologischen Rekonstruktion“?

Schmolders: Unter einer „biologischen Rekonstruktion“ versteht man z.B. die Transplantation eines Wadenbeins in einen knöchernen Defekt an anderer Stelle um diesen mit körpereigenem Gewebe überbrücken zu können. Auch die Verwendung von Spenderknochen kann man durchführen.

Edl: Welche Unterschiede gibt es im Therapieverfahren zwischen einem Weichteilsarkom und dem in einem Knochen?

Schmolders: Das hängt davon ab welcher Subtyp eines Sarkoms vorliegt. Gemeinsam ist das multimodale Therapiekonzept aller Sarkome. Das bedeutet eine gemeinsame Besprechung mit allen behandelnden Fachbereichen in einer Tumorkonferenz zur Festlegung und Koordination des Therapiekonzepts. Unterschiede bestehen dann in der chirurgischen Therapie. Das hängt wieder maßgeblich von der Lokalisation des Tumors ab und reicht von einer einfachen Entfernung des Befundes bis hin zur aufwendigen Rekonstruktion, z.B. mit einer Tumorprothese.

Edl: Auf den Seiten der Initiative „Cancer Survivor“ wird von einer Frau berichtet, die ihr Weichteilsarkom zwar mit einer Operation, jedoch ohne Chemotherapie besiegen konnte. Haben Sie persönlich auch schon mal Erfahrungen mit solch Therapieverläufen gemacht?

Schmolders: Ja, das habe ich. Wenn bestimmte Weichteilsarkome eine gewisse Größe nicht überschritten und keine Metastasen vorliegen, so dass man eine Tumorentfernung mit einem ausreichenden Sicherheitsabstand durchführen kann, ist je nach biologischer Aggressivität des Tumors teilweise die Operation als alleinige Therapie ausreichend.

Edl: Welchen Tipp geben Sie Ihren Patienten stets mit auf den Weg?

Schmolders: Mir persönlich ist es sehr wichtig, dass die Patienten über die komplexe Erkrankung sehr informiert sind und sich nicht von der Therapiestrategie „überrollt“ fühlen. Wenn große Operationen anstehen ist meines Erachtens auch die Einholung einer zweiten Meinung sinnvoll. Hierfür sind im Vorfeld mehrere intensive Gespräche sinnvoll in den man alle Fragen, Sorgen und Nöte ansprechen sollte. Des Weiteren empfehle ich sich einer Selbsthilfeorganisation anzuschließen da man dann merkt, dass man nicht alleine ist und es gibt ehemalige Patienten die sehr weiterhelfen können

 

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